Wir und die Welt - eine kritische Bestandsaufnahme (Teil 1)
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist ohne Frage wert, respektiert und geschützt zu werden. Doch macht das Industrieland Deutschland diesem wirklich Ehre? Und ehren die anderen führenden Industrienationen ihre Verfassungen durch ihre Taten?
Zur Beantwortung sind aus deutscher Sicht zwei Artikel des Grundgesetzes von herausragender Bedeutung. Der Artikel 1 Satz 1 besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar und von aller staatlicher Gewalt zu achten und zu schützen ist. In Satz 2 bekennt sich das deutsche Volk daher zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Der Artikel 14 Satz 2 flankiert diesen Anspruch in idealer Weise, indem er klarstellt, dass Eigentum auch Verpflichtung darstellt. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
Die führenden Industrienationen und als Wertegemeinschaft auch die Europäische Union, haben sich vorbehaltlos der Marktwirtschaft und der Globalisierung verschrieben. Die meisten übrigen Nationen haben die vorherrschende Weltordnung aus mehr oder weniger freiem Willen übernommen. Die bisherige Bilanz unter Führerschaft der USA gibt keinen Anlass zur Zufriedenheit oder Hoffnung, sind alle gemeinsam doch im Hamsterrad des maßlosen Konsums gefangen. Überproduktion auf Kosten astronomischer Zahlen von hungernden und sterbenden Menschen in der sogenannten Dritten Welt verhöhnen die Gebote Gottes. Eine nicht minder erschreckende Anzahl von Selbstmorden sowie Alkohol- und Drogenabhängigen in der sogenannten Ersten Welt und Schwellenländern, kommt einem Offenbarungseid gleich.
Immer aggressiver werden Konsumgüter beworben, Kreditangebote feilgeboten und Konsumentendaten scheinbar schutzlos gehandelt, die seelische Überforderung der Menschen in den reicheren Ländern hingegen bagatellisiert. Arme und verarmte Menschen überall auf der Welt, die indes so gut wie nichts konsumieren können, gelten für die internationale Konzerndoktrin der kurzfristigen Gewinne als totes Humankapital, also als wertlos. In weniger oder gar nicht industrialisierten Ländern hat die Bevölkerungsmehrheit insbesondere auch aufgrund von Gier, Ignoranz und Unvermögen der dort Herrschenden häufig unter mangelnder medizinischer Versorgung, fehlendem Katastrophenschutz und Hunger zu leiden. Wir werden Zeugen immer neuer, auch international geschürter, militärischer Konflikte, unter denen allen voran die Zivilbevölkerung zu leiden hat.
Und längst ist die künstlich-kalte Welt der Finanzen und Konzerne selbst zum aktiven Kriegsschauplatz geworden, die zynische Verwendung von Kriegsterminologie üblich. Es wird von feindlichen Übernahmen oder Übernahmeschlachten gefachsimpelt und die Entlassung Tausender von Mitarbeitern mitleidslos als Kollateralschaden bezeichnet. Die Politprominenz ist dabei Teil des Problems, nicht der Lösung - insbesondere dann erkennbar, wenn Banken- und Wirtschaftskapitäne mitverursachte Finanzkrisen zum Anlass nehmen, wie selbstverständlich Staatshilfen zu fordern. Paradoxerweise, denn gefordert wird es von den selben Hohepriestern des Kapitals und der Privatisierung, welche Darwins Gesetz vom "survival of the fittest" zum höchsten Gut erklärt haben und es stets gnadenlos gegen andere anwenden. So sicher wie das Amen in der Kirche kommt er einmal mehr zu Hilfe, der Staat in Person gewählter Volksvertreter, und rettet großzügig wie gewünscht. Erneut wiederholt sich das unheilige Spiel aus Seilschaften und Korruption - entsprechende Lobbyarbeit und hochdotierte Positionen in der freien Wirtschaft wirken überzeugend und schieben selbst ethische Grundsätze und Amtseid beiseite. ...
Andreas Reinhardt / Beitrag v. 06.03.2016