Zensierte Narren und der Verlust der Sprache

Worte münden in Sätze, verdichten sich zu Sprache, die uns Identität und Ausdruckskraft verleiht. Auf nichts gilt es mehr Acht zu geben, besonders in Zeiten sprachlicher Verarmung dank Verwässerung mit einer Flut englischer Begrifflichkeiten, enthemmter Verrohung oder auch einer Smartphone-Revolution, die auf gnadenlose Simplifizierung und Kürzung setzt.

Verlieren wir den Reichtum der deutschen Sprache, die einstmals Fundus unserer Dichter und Denker von nachhallendem Weltruhm war, so verkümmern unsere nationalen Wurzeln vollends. Die Deutschen würden letztlich nur noch ein Volk von orientierungslosen Konsum-Zombies und aggressiv geifernden Identitätslosen mit rudimentären Sprachfertigkeiten sein.

Ich bitte um Nachsicht für das genussvoll überzeichnete Orakeln einer Zukunft, die gegenwärtig noch keiner sehen mag. Allerdings werde ich dabei getrieben von Gegebenheiten, welche bereits heute Realität sind. Warum diese so sind, sein sollen, sein müssen wie sie sind? Ich weiß es nicht, habe lediglich eine ungute Ahnung. Aber denken Sie, ja Sie verehrter Leser, doch mal 15 Jahre zurück. Hätten Sie damals für möglich gehalten, was sich mittlerweile auf unseren Straßen, in unseren Schulen und von Seiten der herrschenden Politik nebst flankierenden "Qualitäts"-Medien abspielt? - Nur keine Angst, Sie dürfen ruhig ehrlich zu sich sein. Noch ist das unausgesprochene Denken nicht überprüfbar, Denunzianten und Gesinnungspolizei bleiben außen vor. - Also, ich könnte mir vorstellen, vor 15 Jahren hätten Sie jedem Propheten eine Zwangsjacke für das verordnet, was heute an der Tagesordnung ist. Aber wie man sieht, der Souverän gewöhnt sich an alles. Und diejenigen, die erst in den letzten Jahren "erfolgreich" das deutsche Bildungssystem durchlaufen haben, halten ohnehin alles für gut, richtig und normal ...

Zur Normalität gehört sogar, dass hier zu Lande selbst die Protagonisten des Politischen Kabaretts von Fernsehmachern und Medien gegängelt und angegangen werden, sobald sie Tabus der Politischen Korrektheit brechen, anstatt ausschließlich die vorgegebenen Feinde zu diskreditieren. Im Mittelalter hatte der Narr bei Hofe definitiv mehr Freiheiten ... In der Tat scheinen die Lehren und intellektuellen Errungenschaften der abendländischen 'Aufklärung' endgültig hinter uns zu liegen, und das orwell'sche "1984" erfasst nun also auch das närrische Korrektiv.

Nein, das Mittelalter liegt nicht in grauer Vorzeit, es tut sich vor uns wieder auf. Vielleicht dürfen dann ja wenigstens die Narren wieder tacheles reden - natürlich nur im Rahmen der deutschen Sprache, die ihnen dann noch geblieben sein wird ...

Andreas Reinhardt / Beitrag v. 08.06.17 

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